#Urteile
26.09.2023

Betretungsrecht des Vermieters bei Verkaufsabsicht

Bei Begehren einer Wohnungsbesichtigung durch den Vermieter ist jeweils das Eigentumsrecht mit dem Recht der Mieterseite, in seinem Lebensmittelpunkt in Ruhe gelassen zu werden, abzuwägen.

Urteil vom 26. April 2023 – VIII ZR 420/21

Die Mieterin wehrte sich unter Hinweis auf ihre psychische Erkrankung gegen die Besichtigung ihrer Wohnung durch Kaufinteressenten beziehungsweise dem vom Vermieter beauftragten Makler. Im Mietvertrag war ausdrücklich ein Besichtigungsrecht bei Bestehen besonderer Anlässe, so insbesondere auch bei Verkaufsabsicht, geregelt. Vor dem Amtsgericht bekam die Mieterin Recht, wohingegen das Landgericht zunächst ein psychiatrisches Gutachten einholte. Demnach litt die Mieterin bereits seit langer Zeit an einer umfassenden psychischen Störung und sei nach mehreren Suizidversuchen wiederholt in stationärer Behandlung gewesen. Sie sehe ihre Wohnung als einzigen Schutzraum und Rückzugsort an. Der Gutachter erkannte bei Erfolg der Klage die Gefahr einer weiteren gesundheitlichen Verschlechterung bis hin zum Suizid, zumal diese Risiken nicht medikamentös oder therapeutisch auszuschließen seien.

Der BGH bejaht grundsätzlich eine vertragliche Nebenpflicht, nach entsprechender Vorankündigung eine Wohnungsbesichtigung zu ermöglichen. Dies gelte auch ohne den im Mietvertrag enthaltenen Hinweis bezüglich einer Besichtigungsregelung. Die hiermit verbundenen Beeinträchtigungen seien für Mieter grundsätzlich geringfügig und müssten daher regelmäßig dem Vermieterinteresse, über sein Eigentum frei zu verfügen und dieses im Bedarfsfall ohne Einschränkungen veräußern zu können, zurückstehen. Jedoch könnten bei einer schwerwiegenden Gefahr für Leib oder Leben des Mieters im Einzelfall die vermieterseitigen Interessen zurückstehen. Das Landgericht habe daher zu Recht ein entsprechendes Gutachten eingeholt. Es habe sich jedoch nicht umfassend mit den darin enthaltenen Ausführungen auseinandergesetzt. Zwecks Vermeidung von gesundheitlichen Risiken hätte sich die Mieterin auch durch eine Vertrauensperson bei Besichtigungsterminen vertreten oder begleiten lassen können. Diesen Aspekt habe daher das Landgericht nunmehr in einem erneuten Verfahren zu berücksichtigen. Hierbei sei jedoch auch zu klären, ob eventuell ein dem Vermieter recht gebendes Urteil bereits ein Gesundheitsrisiko darstelle.

Kommentar: Bei Begehren einer Wohnungsbesichtigung durch den Vermieter ist jeweils das Eigentumsrecht mit dem Recht der Mieterseite, in seinem Lebensmittelpunkt in Ruhe gelassen zu werden, abzuwägen. Insbesondere bei Verkaufsabsichten des Vermieters kann regelmäßig die Ermöglichung einer Besichtigung als sachgerecht bezeichnet werden, soweit diese mit einer angemessenen Vorlaufzeit geltend gemacht wird. Die Entscheidung macht jedoch deutlich, dass in eng begrenzten Einzelfällen, in denen nachweislich erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen für die Mieter drohen, das uneingeschränkte Besitzrecht der Mieter bei einer entsprechenden Interessenabwägung überwiegen kann. Da jedoch ohnehin grundsätzlich eine Anwesenheit der Mieter bei Besichtigungen nicht erforderlich ist, dürfte eine Vertretung vor Ort in der Regel sinnvoll sein.

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