#Urteile
17.03.2017

Eigenbedarf / Vorratskündigung und Schadenersatz

Der Vermieter kündigte der Mieterin im April 2011 zum Januar 2012 mit der Begründung, er benötige die Wohnung „dringend“ zur Unterbringung seiner pflegebedürftigen Mutter, die allein in ihrem Einfamilienhaus wohne.

Beschluss vom 11. Oktober 2016 – VIII ZR 300/15

Der Vermieter kündigte der Mieterin im April 2011 zum Januar 2012 mit der Begründung, er benötige die Wohnung „dringend“ zur Unterbringung seiner pflegebedürftigen Mutter, die allein in ihrem Einfamilienhaus wohne. Aufgrund eines im nachfolgenden Räumungsprozess geschlossenen Vergleiches ist die Mieterin zum 31. August 2012 ausgezogen.  Im November 2014 verstarb die Mutter ohne in die Wohnung einzuziehen.  Daraufhin erhob die Mieterin  wegen eines  vorgetäuschten Eigenbedarfs eine Schadensersatzklage. Sowohl das Amtsgericht  Landsberg als auch das Landgericht Augsburg haben die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber der Schadensersatzklage stattgegeben. Der behauptete Eigenbedarf sei als dringend und akut bezeichnet worden. Gleichwohl sei die Wohnung nach dem Auszug der Mieterin fast ein Jahr als Lagerraum genutzt worden und die Mutter des Vermieters auch zwei Jahre nach Rückgabe der Wohnung nicht eingezogen. Dieser zeitliche Ablauf sei ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Eigenbedarfskündigung vorgetäuscht war oder eine eventuelle spätere Nutzung lediglich vorbereiten sollte. Nicht auszuschließen sei nach Auffassung der Richter, dass der Nutzungswille der Mutter noch nicht vorgelegen habe beziehungsweise erst hätte „geweckt“ werden müssen. Für eine Eigenbedarfskündigung reiche eine derartige „Vorratskündigung“ nicht aus. Der Nutzungswunsch müsse sich soweit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Nutzung bestehe. Werde der behauptete Eigenbedarf nach dem Auszug des Mieters nicht umgesetzt, läge der Verdacht eines nur vorgeschobenen Eigenbedarfs vor. Insoweit bestünden grundsätzlich Schadenersatzansprüche des aus der Wohnung ausgezogenen Mieters. In solchen Fällen sei es dem Vermieter zuzumuten, plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Erst wenn der Vermieter die Gründe für den angeblichen Wegfall des Eigenbedarfs konkret und nachvollziehbar benennen könne, müsse jeweils der betroffene Mieter den Beweis führen, dass der Eigenbedarf des Vermieters bereits vorher nicht bestanden habe.

Kommentar: Die Entscheidung ist zu begrüßen. Es liegen regelmäßig keine vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe vor, soweit der geltend gemachte Eigenbedarf (noch) nicht besteht und nicht einmal sicher ist, dass dieser überhaupt in – unter Umständen – ferner Zukunft realisiert werden soll. Gleichzeitig macht diese Entscheidung deutlich, dass Mieter, die im Vertrauen auf einen vermeintlich berechtigten Eigenbedarf die Wohnung herausgeben unter Umständen zukünftig noch Schadenersatzansprüche geltend machen können. Insofern gewährt der Bundesgerichtshof den betroffenen Mietern eine Erleichterung der Beweislast, indem klargestellt wird, dass der Vermieter jeweils umfassend und insoweit nachvollziehbar darzulegen hat, dass bereits bei Ausspruch der Kündigung die Wohnung benötigt wurde.  Die Entscheidung macht zudem deutlich, dass auch bei einem geschlossenen Räumungsvergleich Schadenersatzansprüche der Mieter nicht ausgeschlossen sind, soweit der Eigenbedarf tatsächlich nicht umgesetzt wird.

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