Eigenbedarf zugunsten des geschiedenen Ehepartners
Getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten gehören im mietrechtlichen Sinne derselben Familie an und können sich daher auf mietrechtliche Privilegierungen berufen. Insoweit könne daher auch Eigenbedarf für den ehemaligen Ehegatten geltend gemacht werden.
Urteil vom 2. September 2020 – VIII ZR 35/19
Der beklagte Mieter bewohnt seit 2001 ein Einfamilienhaus. 2015 verkaufte der damalige Vermieter das Haus an seinen Sohn sowie dessen Ehefrau, die damals bereits getrennt lebten. Die Ehe der beiden wurde 2016 geschieden. 2017 kündigten die ehemaligen Eheleute das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für die geschiedene Ehegattin. Sie benötige das Haus für sich, da sie mit ihren beiden Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten dort einzuziehen beabsichtigte. Der Mieter verweigerte den Auszug, die Vermieter klagten auf Räumung.
Das Amts- sowie auch das Landgericht hielten die Kündigung aufgrund nachvollziehbarer Gründe für berechtigt. Das Landgericht betonte hierbei, dass auch die dreijährige Kündigungssperrfrist nach dem Erwerb der Immobilie nicht greife, da diese nicht für Eheleute gelte und die Ehe beim Kauf des Hauses noch bestanden habe. Die Eheleute lebten zwar bereits seit 2013 nicht mehr zusammen, jedoch würden auch getrennt lebende Eheleute noch zu „derselben Familie“ im Sinne des Gesetzes gehören. Auch der BGH bejahte den Räumungsanspruch. Hierbei käme es jedoch nicht auf das Bestehen der Ehe bei Kündigung des Mietverhältnisses an. Auch getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten gehören im mietrechtlichen Sinne „derselben“ Familie an. In Anlehnung an das Prozeßrecht sind alle Personen Familienangehörige, denen das Gesetz aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt. Insoweit könne daher auch Eigenbedarf für den ehemaligen Ehegatten geltend gemacht werden.
Kommentar: Die Entscheidung ist vertretbar, da regelmäßig auch nach Vollzug einer Scheidung gemeinsame Interessen bezüglich eines ehemals gemeinschaftlich erworbenen Hauses bestehen können. Hier dürfte der grundrechtliche Schutz der Ehe und Familie auch nach dem Ende der Ehe noch nachwirken. Die Entscheidung macht gleichzeitig deutlich, dass der BGH ohnehin von einem weiten Familienbegriff ausgeht, zumal er auch in der Vergangenheit die Geltendmachung eines Eigenbedarfs beispielsweise für Neffen und Nichten für zulässig erachtet hatte.