#Urteile
02.04.2014

Feststellungsinteresse bei geringem Schadensrisiko

Besteht nur ein sehr geringes Risiko eines Schadenseintritts (gesundheitliche Schäden durch Asbest), fehlt das für eine Feststellungsklage erforderliche sog. schutzwürdige Interesse.

BGH, Urteil vom 02. April 2014 – VIII ZR 19/13

Besteht nur ein sehr geringes Risiko eines Schadenseintritts (gesundheitliche Schäden durch Asbest), fehlt das für eine Feststellungsklage erforderliche sog. schutzwürdige Interesse. 

Die Mieter haben mit ihren minderjährigen Kindern von 1998 bis 2008 eine Wohnung der Vermieterin in Berlin-Charlottenburg bewohnt. Der Fußboden der Wohnung bestand aus asbesthaltigen Vinylplatten („Flexplatten“), auf denen die Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses einen Teppichboden verlegten. Mitte des Jahres 2005 lockerte sich im vorderen Bereich des Wohnungsflurs der Teppich. Daraufhin entfernten die Mieter in diesem Bereich den Teppich und stellten fest, dass die darunter befindlichen Flexplatten teilweise gebrochen waren und offene Bruchkanten aufwiesen. Die Vermieterin wurde Ende Juli 2005 darüber informiert. Der Austausch der beschädigten Platten erfolgte am 15. August 2005, während die Kinder in der Schule waren. Mitte September verlegten die Mieter über den ausgetauschten Platten einen neuen Teppichboden. Die Mieter haben erst im Juni 2006 erfahren, dass die Flexplatten asbesthaltiges Material enthalten. Die Kinder der Mieter begehren als Kläger die Feststellung, dass die Vermieterin verpflichtet ist, ihnen alle materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen bereits entstanden sind und/oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat die Klage als zulässig angesehen, aber als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht Berlin der Klage stattgegeben. Die Revision der Vermieterin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die erhobene Feststellungsklage bereits unzulässig ist, weil es unter den besonderen Umständen des Falls am erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Maßgeblich war insoweit das Sachverständigengutachten eines bereits vom Amtsgericht beauftragten Professors für Arbeits- und Sozialmedizin. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das Risiko der Kläger, in Zukunft an einem Tumor zu erkranken, der auf die der Beklagten zurechenbaren Pflichtverletzung zurückzuführen ist, zwar minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko, jedoch aufgrund der anzunehmenden Exposition der Kläger mit Asbestfasern, die im Niedrigdosisbereich liege, als „sehr, sehr gering“ anzusehen sei. Mit einer Tumorerkrankung der Kläger sei deshalb „nicht zu rechnen“. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass angesichts dieser gutachterlichen Äußerungen bei verständiger Würdigung aus Sicht der Kläger kein Grund besteht, mit einem zukünftigen Schaden zu rechnen, sodass es an einem Feststellungsinteresse fehlt.

Kommentar: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht zu beanstanden, wenn berücksichtigt wird, dass ein Feststellungsinteresse für die Kläger nur wegen der besonderen Umstände des Falls verneint wurde. Die verhältnismäßig kurze Zeit, in der die klagenden minderjährigen Kinder den teilweise gebrochenen und offene Bruchkanten aufweisenden Flexplatten ausgesetzt waren, dürfte insoweit entscheidend sein. Hinzu kommt, dass es sich um eine verhältnismäßig kleine Fläche im vorderen Bereich des Flurs handelte und der Austausch zu einem Zeitpunkt erfolgte, an dem die Kinder in der Schule waren. Wichtig dürfte insbesondere die Feststellung des Gerichts sein, dass die bei dem Austausch der asbesthaltigen Flexplatten nicht beachteten Sicherheitsmaßnahmen der Handwerker eine Pflichtverletzung darstellt, die sich die Vermieterin zurechnen lassen muss. In der unterlassenen Information der Mieter über die Gefahren, die von Flexplatten mit offenen Bruchkanten ausgehen, haben die Karlsruher Richter darüber hinaus eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht der Vermieterin angenommen. Nach dieser Entscheidung sind alle Vermieter von mit Flexplatten ausgestatteten Wohnungen verpflichtet, ihre Mieter über die Beschaffenheit der Fußböden und die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren zu informieren. Da es sich hier überwiegend um Wohnungsbestand aus den 1970er-Jahren handelt, ist in den betroffenen Wohnungen schon altersbedingt mit einem langsamen Zerfall der asbesthaltigen Vinylplatten zu rechnen. Jeder Austausch des darauf liegenden Teppichbodens, bei dem die Festigkeit der Flexplatten nicht gewährleistet werden kann, birgt eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Mieter. Die Forderung der Vermieter anlässlich des Mietendes, die von Mietern verlegten Teppichböden zu entfernen, dürfte bei mit Asbest kontaminierten Böden eine Pflichtverletzung darstellen und somit unzulässig sein. 

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