#Urteile
15.06.2015

Grenzen des Zurückbehaltungsrechts

Der Bundesgerichtshof hat das Zurückbehaltungsrecht für Mieter beim Vorliegen von Wohnungsmängeln eingeschränkt.

BGH, Urteil vom 15. Juni 2015- VIII ZR 19/14

Der Bundesgerichtshof hat das Zurückbehaltungsrecht für Mieter beim Vorliegen von Wohnungsmängeln eingeschränkt.

Der Mieter bewohnt seit 1988 eine Eigentumswohnung der Vermieterin in Kassel. Wegen der durch Schimmelbefall bedingten Mängel seiner Wohnung zahlte er in den Monaten von März 2009 bis Oktober 2012 keine oder nur einen Teil der Miete. Auf seinen Antrag wurde zum 17. Juni 2010 das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Sein Treuhänder erklärte am 1. Juli 2010 die „Freigabe“ des Mietverhältnisses. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis im Oktober 2012 wegen der seit März 2009 aufgelaufenen Mietrückstände von gut 14.000 Euro fristlos. Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage stattgegeben. Das Landgericht Kassel wies demgegenüber die Klage mit der Begründung ab, dass sowohl die Verbraucherinsolvenz als auch das Minderungsrecht von 20 Prozent und das Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 80 Prozent der Miete einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs entgegenstünden. Die Revision der Vermieterin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass durch die „Freigabe“ des Mietverhältnisses im Verbraucherinsolvenzverfahren die Parteien die Verfügungsbefugnis über das Mietverhältnis zurückerhalten. Dadurch ist eine Kündigung des Mietverhältnisses grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Der soziale Mieterschutz wird weiter dadurch gewährleistet, dass der Mieter die Kündigung durch Zahlung aus seinem pfändungsfreien Vermögen abwenden kann. Der Ausgleich der rückständigen Mieten kann zum Beispiel auch im laufenden Insolvenzverfahren durch eine öffentliche Stelle erfolgen. Nichts anderes gilt auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens. Soweit das Landgericht dem Mieter neben einer 20-prozentigen Mietminderung auch ein Zurückbehaltungsrecht von 80 Prozent der Miete zugestanden und dadurch den Zahlungsverzug verneint hat, ist eine Überschreitung des tatrichterlichen Beurteilungsermessens anzunehmen. Das Zurückbehaltungsrecht dient im Rahmen eines Mietverhältnisses dazu, auf den Vermieter – vorübergehend – Druck auszuüben, damit dieser – allerdings in der Natur der Sache nur für die Zukunft – wieder eine mangelfreie Wohnung bereitstellt. Es ist insoweit verfehlt, das Leistungsverweigerungsrecht des Mieters ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Das Zurückbehaltungsrecht darf nur solange ausgeübt werden, als es noch seinen Zweck erfüllt, den Vermieter durch den ausgeübten Druck zur Mängelbeseitigung anzuhalten. Der Mieter ist hierdurch nicht rechtlos gestellt, denn er kann unter anderem auch auf Mängelbeseitigung klagen oder in geeigneten Fällen den Mangel – gegebenenfalls nach Geltendmachung eines Vorschussanspruchs – selbst beseitigen.

Kommentar: Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zunächst festgestellt, dass die Privatinsolvenz und das Restschuldbefreiungsverfahren eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs nicht ausschließt. Darüber hinaus erklärte das Gericht einer schematischen Bemessung des Zurückbehaltungsrechts des Mieters eine Absage. Dies ist insoweit unbefriedigend, als offen gelassen wurde, welcher konkrete Teil der Miete tatsächlich zurückbehalten werden kann und wie lange der Mieter das Zurückbehaltungsrecht ausüben darf. Wenig erhellend sind auch die Ausführungen des Gerichts, wonach es verfehlt sein soll, das Leistungsverweigerungsrecht des Mieters ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Auch der Hinweis des Gerichts, dass der Mieter durch die Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts nicht rechtlos gestellt werde, weil er unter anderem auf Mängelbeseitigung klagen kann oder in geeigneten Fällen den Mangel – gegebenenfalls nach Geltendmachung eines Vorschussanspruchs – selbst beseitigen kann, hilft nicht weiter. Insbesondere auch deshalb, weil es nach dem Willen des Gesetzgebers keine Rangordnung zwischen den unterschiedlichen Gewährleistungsrechten wie Minderung, Zurückbehaltung oder aber Mängelbeseitigungsklage gibt. Es ist zu bedauern, dass die ergebnisorientierte Einzelfallentscheidung des Bundesgerichtshofs im Widerspruch zur bisherigen gefestigten Rechtsprechung der Instanzgerichte steht und die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vermissen lässt.

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