#Urteile
16.06.2017

Prüfung der Härtegründe des Mieters

Die beklagten Mieter bewohnen seit 1997 eine Wohnung im Erdgeschoss. Der Vermieter kündigte den Mietern mit der Begründung, dass er die Wohnung für die Familie seines Sohns benötige, die bisher im Obergeschoss wohne.

Urteil vom 15. März 2017 – VIII ZR 270/15

Die beklagten Mieter bewohnen seit 1997 eine Wohnung im Erdgeschoss. Der Vermieter kündigte den Mietern mit der Begründung, dass er die Wohnung für die Familie seines Sohns benötige, die bisher im Obergeschoss wohne. Es sei beabsichtigt, beide Wohnungen zusammenzulegen, um mehr Raum für die Familie zu schaffen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Es bestehe ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund persönlicher Härte, da der 85-jährige Beklagte gesundheitlich eingeschränkt sei und darüber hinaus eine bestehende Demenz sich zu verschlimmern drohe, wenn er die gewohnte Umgebung verlassen müsse. Ein Umzug in ein Pflegeheim wäre nicht zu vermeiden, jedoch der noch rüstigen Ehefrau nicht zuzumuten. Die Vorinstanzen haben die Beklagten auf Räumung verurteilt. Zwar können die genannten Härtegründe der Mieter als wahr unterstellt werden. Diese verdienten jedoch gegenüber den Interessen der Vermieter, auf unabsehbare Zeit mit ihren zwei Kindern in beengten Wohnverhältnissen leben zu müssen, keinen Vorrang.

Die Karlsruher Richter haben die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben. Bei der Prüfung von Härtegründen habe eine sorgfältige Sachverhaltsfeststellung und Interessenabwägung zu erfolgen. Insbesondere hätten die Gerichte sich jeweils ein „in die Tiefe gehendes eigenständiges Bild“ von den betroffenen Interessen der Mieter zu verschaffen. Die im vorliegenden Fall unstrittigen Härtegründe könnten jedoch nicht zum einen bejaht werden, um anschließend lediglich darauf hinzuweisen, dass diese jedenfalls keinen Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieter hinsichtlich des Bezugs einer größeren Wohnung verdienten. Insbesondere bei schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder einer Lebensgefahr seien die Gerichte gehalten, die Entscheidung auf eine sichere Grundlage – beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – zu stellen. Erst hierdurch können die wahrscheinlichen Folgen für einen erzwungenen Umzug hinsichtlich einer weiteren Gesundheitsgefahr bewertet werden. Diese wären sodann im Rahmen einer sorgfältigen Abwägung der Vermieter- und Mieterinteressen sachgerecht zu beurteilen. Die Gerichte hätten es unterlassen, sich inhaltlich mit den unter Umständen existenziellen Folgen für die Mieter auseinanderzusetzen.

Kommentar: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zu begrüßen. Die Gerichte setzen sich oftmals mit erkennbar vorliegenden Härtegründen nicht ausreichend auseinander. Dies führt in Fällen, in denen an sich besondere Gründe für einen weiteren Verbleib in der Wohnung auf der Hand liegen, dazu, dass die Gerichte bei Vorliegen eines nachvollziehbaren Eigenbedarfs eine eingehende Abwägung der Interessenlage nicht mehr vornehmen – mit der Folge, dass die sogenannte „Sozialklausel“, die ohnehin nur selten zugunsten der betroffenen Mieter zur Anwendung kommt, weiter geschwächt wird. Die Mieter sollen wissen, dass bei Vorliegen schwerwiegender Gründe für einen weiteren Verbleib in der Wohnung der Widerspruch gegen eine Kündigung Sinn machen kann.

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