#Urteile
10.07.2015

Räumungsvergleich wegen Eigenbedarfs / Schadensersatzanspruch des Mieters

Ein Schadensersatzanspruch des Mieters ist bei vorgetäuschtem Eigenbedarf trotz vorherigem Räumungsvergleich möglich. An den Willen des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter zu verzichten, sind sehr hohe Anforderungen zu stellen.

BGH, Urteil vom 10. Juli 2015 – VIII ZR 99/14

Ein Schadensersatzanspruch des Mieters ist bei vorgetäuschtem Eigenbedarf trotz vorherigem Räumungsvergleich möglich. An den Willen des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter zu verzichten, sind sehr hohe Anforderungen zu stellen.

Der Mieter verlangt Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung seines Mietverhältnisses. Er hatte mit dem Rechtsvorgänger seines Vermieters eine Vier-Zimmer-Wohnung in Koblenz gemietet. Zuletzt betrug die Miete 523,09 Euro brutto. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis mit der vom Mieter bestrittenen Begründung, die Wohnung werde für einen neuen Hausmeister benötigt. Die Räumungsklage wurde zunächst vom Amtsgericht Koblenz abgewiesen. Nachdem das Landgericht Koblenz dem Mieter mitgeteilt hatte, dass seine Rechtsposition aussichtslos sei, schlossen die Parteien am 14. Juni 2011 einen Räumungsvergleich, in dem sich der Mieter verpflichtete, die Wohnung bis spätestens 31. Dezember 2011 zu räumen sowie die gesamten Prozesskosten zu tragen. Er verzichtete weiter auf sämtliche Räumungsschutzvorschriften. Im Falle eines vorzeitigen Auszugs, den der Mieter zwei Wochen zuvor anzukündigen hatte, sollte die Zahlung der Miete ab Übergabe der Wohnung entfallen.

Nach dem Auszug des Mieters wurde die Wohnung nicht an den Hausmeister, sondern an eine Familie vermietet. Der Mieter begehrt nunmehr von seinem ehemaligen Vermieter als Schadensersatz die Zahlung von 25.833,43 Euro (für Umzugskosten, Mehrkosten durch höhere Miete, einen längeren Arbeitsweg und Prozesskosten). Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Koblenz haben die Klage abgewiesen. Erst mit seiner Revision hatte der Mieter Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und an das Landgericht Koblenz zurück verwiesen. Die Karlsruher Richter haben in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht entschieden, dass der Vermieter im Falle der Vortäuschung eines Eigenbedarfs und bei einer schuldhaften unberechtigten Kündigung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hatte aber rechtsfehlerhaft in dem abgeschlossenen Vergleich einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Bedarfs des Vermieters gesehen. Das Berufungsgericht hatte verkannt, dass an das Vorliegen des Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen sind und der Verzichtswille unter Beachtung sämtlicher Begleitumstände unmissverständlich feststellbar sein muss. In einer Prozesssituation, in der das Berufungsgericht den Mieter auf die Aussichtslosigkeit seiner Rechtsverteidigung hinweist, dürfte es sehr fern liegen, dass die Parteien mit einem sodann abgeschlossenen Räumungsvergleich nicht nur die zu erwartende Entscheidung des Gerichts vorwegnehmen, sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgelten wollen. Dem steht auch nicht die Zubilligung einer rund sechsmonatigen Räumungsfrist entgegen, denn der Mieter, der aufgrund einer Kündigung wegen „Betriebsbedarfs“ erst einmal in der Berufungsinstanz zur Räumung verurteilt wird, kann regelmäßig – sogar von Amts wegen – mit der Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist rechnen.

Kommentar: Mit der zutreffenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und präzisiert. Mieter haben grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter, wenn sie über Kündigungsgründe getäuscht wurden. Der allzu oft von den Instanzgerichten übernommene Argumentation der Vermieter, der Mieter sei aufgrund des Räumungsvergleichs und nicht wegen des vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs ausgezogen, ist endlich ein Riegel vorgeschoben worden. Die Karlsruher Richter stellen aber auch klar, dass an die Vermutung, der Räumungsvergleich beinhalte einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs, sehr hohe Anforderungen zu stellen sind. Der Entscheidung kann auch entnommen werden, wie wichtig einzelne Formulierungen eines Räumungsvergleichs sein können. Dabei müssen Mieter insbesondere darauf achten, dass der Inhalt eines Räumungsvergleichs nicht den Schluss zulässt, dass der Vermieter sich die berechtigten Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Kündigungsgründe durch ein vermeintliches Entgegenkommen „abkaufen“ lässt.

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