Rauchen auf dem Balkon kann eingeschränkt werden
Rauchen auf dem Balkon ist nicht länger uneingeschränkt erlaubt. Mieter, die sich durch einen auf dem Balkon rauchenden Nachbarn gestört fühlen, können für konkrete Zeitabschnitte einen Rauchstopp fordern.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14
Rauchen auf dem Balkon ist nicht länger uneingeschränkt erlaubt. Mieter, die sich durch einen auf dem Balkon rauchenden Nachbarn gestört fühlen, können für konkrete Zeitabschnitte einen Rauchstopp fordern.
Die Parteien sind Mieter eines Mehrfamilienhauses in Rathenow. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon tagsüber zum Rauchen. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den vom Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon zu bestimmten Stunden zu unterlassen. Sowohl das Amtsgericht Rathenow als auch das Landgericht Potsdam haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Rauchverbot sei mit der durch Artikel 2 Grundgesetz geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar. Die Revision der Kläger hatte Erfolg. Der V. Senat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und an die Vorinstanz zurück verwiesen. Die Karlsruher Richter haben ausgeführt, dass ein Unterlassungsanspruch eines Mieters gegenüber einem Mitmieter nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Mieter und dem Vermieter eines Mietverhältnisses rechtfertigt nicht die mögliche Störung eines Dritten. Der Abwehranspruch ist dann gegeben, wenn die mit dem Tabakgeruch verbundene Beeinträchtigung nach dem Empfinden eines verständigen, durchschnittlichen Menschen als wesentliche Beeinträchtigung empfunden wird. Unterlassungsanspruch besteht allerdings nicht uneingeschränkt. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung der Wohnung zu, andererseits hat der andere Mieter das Recht, die Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse – zu denen auch das Rauchen gehört – zu nutzen. Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigung ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Der einen Partei sind Zeiträume freizuhalten, in denen sie den Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während der anderen Partei Zeiten einzuräumen sind, in denen sie auf dem Balkon rauchen darf.
Weil das Landgericht Potsdam bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Tabakrauch auf dem Balkon als wesentliche Beeinträchtigung wahrnehmbar ist, oder – wenn das zu verneinen sein sollte – ob im konkreten Fall von dem Tabakgeruch gesundheitliche Gefahren ausgehen, war der Fall an die Potsdamer Richter zurück zu verweisen.
Kommentar: Die salomonische Entscheidung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist zu begrüßen. Dies umso mehr, als die bisherigen Entscheidungen des für Mietrecht zuständigen VIII. Senats des Gerichts unter den Befürwortern und den Gegnern des Rauchens nicht zu einer Befriedung geführt haben. Dabei liegt es auf der Hand, dass demjenigen, der in seinem Besitz (hier: die Wohnung) durch über das Übliche hinausgehende Immissionen gestört wird, ein Unterlassungsanspruch zustehen kann. Wenn zum Beispiel das Musizieren oder Grillen in einem Mehrfamilienhaus zeitlich reglementiert werden kann, ist zu fragen, weshalb gerade Beeinträchtigungen, die durch den Tabakgeruch entstehen, uneingeschränkt hingenommen werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung dazu beitragen wird, dass durch gegenseitige Rücksichtnahme und den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragende Regelungen ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen der Raucher und Nichtraucher herbeigeführt werden kann.