Unwahre Behauptung des Mieters rechtfertigt Kündigung nicht automatisch
Das Landgericht muss in einem erneuten Verfahren entscheiden, ob den vermeintlich wahrheitswidrigen Äußerungen des Mieters ein Gewicht zukomme, das eine Kündigung rechtfertigt.
Urteil vom 25. Oktober 2023 – VIII ZR 147/2
Die Vermieterin hatte dem Mieter wegen einer unerlaubten Hundehaltung gekündigt und verlangte die Räumung der Wohnung. Vor dem Amtsgericht erklärte der Mieter, dass es aus seiner Sicht nicht um die Hundehaltung gehe. Vielmehr solle er aus der Wohnung „herausgemobbt“ werden. Der Verwalter habe ihn zuvor bereits mit ausländerfeindlichen Äußerungen beleidigt. Zugleich gab der Mieter wahrheitswidrig an, ein Gespräch der Vermieterin mit angehört zu haben, aus dem sich Verkaufsabsichten ergeben hätten. Der Kaufinteressent habe gesagt, er würde das Haus nur erwerben, wenn sämtliche Wohnungen frei von Mietverhältnissen seien. Aufgrund dieser Äußerung kündigte die Vermieterin im Räumungsprozess erneut. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Vor dem Landgericht hatte die Vermieterin hingegen Erfolg. Jedenfalls sei die Kündigung wegen der unwahren Behauptung über ein Verkaufsgespräch wirksam.
Der BGH hob das Urteil auf. Unwahre Behauptungen würden nicht zwangsläufig eine Kündigung rechtfertigen. Ein Vermieter könne kündigen, soweit ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses bestünde. Dieses läge vor, wenn die Mieterseite in erheblichem Maß ihre vertraglichen Verpflichtungen verletze. Es sei hierbei eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich. Auch sei ein Verhalten des Vermieters zu berücksichtigen, soweit dieses das Verhalten des Mieters provoziert haben könnte. Der Mieter hatte die Befürchtung, durch eine aus seiner Sicht unwirksamen Kündigung wegen der Hundehaltung aus der Wohnung vertrieben zu werden. Deshalb komme der unwahren Aussage eher eine untergeordnete Bedeutung zu. Daher habe das Landgericht in einem erneuten Verfahren zu entscheiden, ob die wahrheitswidrigen Äußerungen ein Gewicht zukomme, dass eine Kündigung gerechtfertigt sei.
Kommentar: Eine typische Einzelfallentscheidung, die wiederum zeigt, dass gerade in einem Räumungsprozess oft eine lange außergerichtliche Auseinandersetzung vorausgegangen ist, sodass auch erkennbare Lügen nicht ohne Weiteres einen Wohnungsverlust nach sich ziehen müssen. Insoweit ist im Verfahren jeweils die Motivationslage konkret zu berücksichtigen. Gleichwohl wird deutlich, dass auch der Mieterseite in vergleichbaren Fällen kein „Freibrief“ erteilt wird, da stets sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Ein zu „forsches” mieterseitiges Auftreten kann daher ebenso als erheblicher Vertragsverstoß gewertet werden und einen Wohnungsverlust zur Folge haben.